Silvia Jankova

Ein Leben für den Sport - wenn Träume Träume bleiben

Was passiert, wenn der eigene Körper seinen Dienst versagt? Wenn man jahrelang auf ein Ziel hinarbeitet und es von einer Minute auf die andere vorbei ist? Wenn man feststellen muss: Das war’s jetzt mit meinem Traum! Aus! Vorbei! Und was hat das für Konsequenzen? Wir haben mit Silvia Jankova darüber gesprochen. Sie ist ehemalige Leistungssportlerin.

Du bist heute 32 Jahre alt. Um über deinen Traum sprechen zu können, müssen wir etwas zurückblicken. Du hast seit dem siebten Lebensjahr Basketball gespielt. Wie sah deine Kindheit rund um den Ball aus?

Am Anfang war es eine Sportart unter vielen. Mit dreizehn Jahren habe ich mich dann mit sehr viel Leidenschaft darauf konzentriert. Ich mag die Zusammenarbeit, den Teamgeist, den Zusammenhalt. Das ist so meins. Von Montag bis Freitag war das Training, die Spiele am Wochenende. Nach dem Training habe ich auf der Straße weitergespielt. Ich bin sogar morgens eine Stunde eher aufgestanden, um zu trainieren. Mit fünfzehn Jahren stand mein Traum fest: Ich möchte in der WNBA (Women’s National Basketball Association) in den USA spielen.

Wenn man so ein Ziel hat, dann setzt man sich sicherlich auch sehr unter Druck. Kannst du gut mit Leistungsdruck umgehen?

Auf jeden Fall. Jeder empfindet ihn anders. Es geht mehr um die eigene Wahrnehmung. Auch die Tagesform ist entscheidend. Ist mein Kopf frei, dann spiele ich in einem wundervollen Flow. Ich nehme mein Umfeld nicht mehr wahr und bin ganz bei mir. Das ist das Ziel. Aber manchmal steht man sich selber im Weg. Ich auch. Und es ist eine tolle Aufgabe, sein Ego einfach mal runterzufahren und nur Spaß zu haben. An diesem Punkt war ich damals natürlich noch nicht. Wir bekamen enorm viel Druck von unserem Trainer. Es wurde viel geschimpft, kaum gelobt. Wenn man sich im Spiel verletzt hatte, dann war man selber schuld und es hieß nur: „ziehe deinen Schuh fester und bloß keine Tränen“. Ich hatte also gelernt, meine Gefühle zu unterdrücken und keine Schwäche zu zeigen.

ziehe deinen Schuh fester und bloß keine Tränen

Du wurdest sogar Teil der slowakischen Jugendmannschaft und hast einige Spiele bestritten. Wie bist du dann in die Staaten gekommen?

Ich habe einfach CDs mit einem Spiel von mir an einige Colleges geschickt. Philadelphia hatte Interesse. Ich habe mir die Uni dann angeschaut und fand sie toll. Für mich war das auch eine Art Abenteuer. Ich habe mich dann für medizinische Wissenschaften eingeschrieben. Ziel war ein Doktor in Physiotherapie.

Aber dann kam alles anders. Was ist passiert?

Es war ganz am Anfang meiner College-Zeit. Ein paar Spiele hatte ich absolviert und dann habe ich mich in einem Trainingsspiel verletzt. Das ist das Schlimme daran, dass es ein Trainingsspiel war. Ich habe im Sprint abgebremst, bin falsch aufgekommen und dabei hat sich unter voller Belastung das Knie verdreht. Mir hat es das Herz zerrissen. Ich wusste, was es bedeutet. Und dann hieß es: Kreuzband durch, Innenwand eingedehnt, beide Menisken durch und ein sehr großflächiger Knorpelschaden. Der Arzt hat gesagt, dass ich froh sein kann, dass ich überhaupt noch laufen kann und dass es mit dem Leistungssport eigentlich vorbei ist.

Was war das für ein Gefühl für dich, als du gemerkt hast, dass dein Traum in unerreichbare Ferne gerückt ist?

In einem Wort: verloren. Ich habe mich wie eine Schiffbrüchige im Ozean gefühlt und die Orientierung verloren. Ich war ja noch so jung. Dann kam auch ein gewisser Stolz dazu. Man möchte stark sein. Für mich war das in dem Moment ein Gefühl des totalen Versagens. Mir gegenüber, aber auch den anderen gegenüber, die mich den ganzen Weg unterstützt haben. Das war besonders schmerzhaft.

Wer hat dich denn dann unterstützt in den USA?

Meine Trainer, meine Mitspielerinnen, meine Schwester. Ich habe es den anderen nicht leicht gemacht, mir zu helfen. Ich hatte genug mit meinen eigenen Dämonen zu kämpfen. Da war dieses Gefühl, ein Niemand zu sein. Zu diesem gefühlten Identitätsverlust kam dann der Versuch, mich neu zu erfinden. Ich bin schon immer jemand gewesen, der ein Ziel hatte und etwas mit Leidenschaft machen wollte. Das heißt, morgens aufzustehen und einen Grund zu haben, mich auf den Tag zu freuen. Und genau das hatte ich nach dem Unfall verloren.

Du hast immer wieder versucht, zurück ins Spiel zu kommen. Aber es ging nicht mehr. Über Zwischenstopps in New York und der Slowakei bist du letztendlich nach Deutschland gezogen, wo auch deine Mutter schon lebte. Wo hast du neu angefangen?

In Sindelfingen. Ich habe dann mein duales Studium im Bereich Fitnesstraining begonnen.

Du hattest zehn Jahre lang chronische Schmerzen. Wie bist du damit umgegangen?

Es war nicht leicht. Ich wollte einfach mit den anderen mithalten. Eine gute Zeit haben. Also habe ich die Zähne zusammengebissen. Das ging nicht spurlos an mir vorbei. Ich hatte insgesamt sechs Knie-OPs. Im Nachhinein denke ich mir, dass sie eigentlich unnötig waren und ich einfach nur versucht habe, etwas zu erzwingen, was man nicht erzwingen kann. Während meines Studiums habe ich mir vorgenommen, dass ich mich durch das Krafttraining selbst zusammenflicke.

Du hast dich mit dem Wissen aus deinem Studium selbst therapiert?

Ja, ich habe angefangen, noch mehr in mich hineinzuhören, was mir gut tut und was nicht. Durch die erlernten Grundlagen der Anatomie und Physiologie ist mir bewusst geworden, was ich wieder ins Gleichgewicht bringen muss. Ich habe auch viel gelesen, viel reflektiert. Persönlichkeitsentwicklung und Psychologie interessieren mich auch sehr. Das waren so Impulse, die mir dabei geholfen haben, das Erlebte nicht als negativ zu betrachten, sondern als eine Chance. Das war, glaube ich, das Wichtigste. Nicht aufzugeben.

Wird es für dich wieder einmal einen Traum geben, der so groß ist wie dein erster? Oder hast du ihn vielleicht schon im Blick?

Ja, habe ich auf jeden Fall. Aber in welcher Form, da möchte ich mich nicht beschränken. Das will ich mir offen lassen.

Interview: Caroline Pusch
Fotos: Deniz Saylan